Myofasziale Schmerzen und Fibromyalgie

Myofasziale Schmerzen & Fibromyalgie

Als myofasziale Schmerzen bezeichnet man Schmerzen, die von der Muskulatur oder dem Sehnen- oder Bindegewebe ausgehen. Hierbei können 2 große Krankheitsgruppen unterschieden werden: das myofasziale Schmerzsyndrom und das Fibromyalgiesyndrom (FMS). Das myofasziale Schmerzsyndrom kann in geringer Ausprägung z.B. nach muskulärer Überanstrengung quasi bei jedermann auftreten und hat bei richtiger Behandlung eine gute Prognose, beim FMS dagegen handelt es sich um ein davon abzugrenzendes eigenes, definiertes Krankheitsbild mit z.T. genetischer Ursache, das vielfach zu erheblichen Beeinträchtigungen im Alltag führt und sich in der Behandlung wesentlich schwieriger gestaltet.

 

Ursachen

Myofasziales Schmerzsyndrom

Muskuläre Triggerpunkte zeichnen sich durch eine lokale Verhärtung in der Muskulatur aus, die entweder auf Grund von akuter muskulärer Überlastung oder chronischer Fehlbelastung entstehen. Anfangs machen sie sich nur auf Druck oder spezifische Dehnvorgänge bemerkbar. Bei stärkerer oder länger anhaltender Ausprägung tritt auch ein Ruheschmerz auf, der den aktiven Einsatz der betroffenen Muskulatur erheblich behindern kann und gelegentlich bei starker Intensität bedrohlich wirken kann und zu Fehldiagnosen führt.

Fibromyalgiesyndrom (FMS)

Obwohl es bereits zahlreiche Studien zum Thema FMS gibt, ist die genaue Ursache der Erkrankung immer noch unklar. Es konnten einige Riskikofaktoren für das FMS identifiziert werden: bestimmte Erbschaftsanlagen (Genpolymorphismus des 5-HT2-Rezeptors), Lebensstilfaktoren (Rauchen, Übergewicht, mangelnde Bewegung), Stress am Arbeitsplatz, psychische Faktoren wie körperlicher oder sexueller Missbrauch in der Vorgeschichte, außerdem ein vermehrtes Auftreten im Zusammenhang mit Rheuma.

Anamnese und Diagnose

Myofasziales Schmerzsyndrom

Diese Beschwerden gehören aus der Sicht des Schmerztherapeuten zu den am häufigsten verkannten und unterbewerteten Beschwerden. Die Intensität dieser Schmerzen kann erheblich sein und als sog. übertragener Schmerz in einem vom eigentlichen Ursprungsort entfernten Areal (sog. Referenzaraeal) auftreten. Typisch für ein myofasziales Schmerzsyndrom ist das Vorhandensein von sog. muskulären Triggerpunkten.

Bei der körperlichen Untersuchung können die Triggerpunkte durch den schmerzthera-peutisch erfahrenen Arzt meist gut aufgespürt werden. Als diagnostisches Kriterium dient der gezielte Druck auf den Triggerpunkt, durch den dann der typische Schmerz im Referenzareal ausgelöst wird.

 

FMS

Das Fibromyalgiesyndrom (FMS) wird definiert als ein Symptomenkomplex mit dem Vorhandensein von mehreren schmerzhaften Arealen im Bereich des muskuloskelettalen Systems mit Steifheit, lokaler Druckschmerzhaftigkeit und einer Symptomdauer von mehr als 3 Monaten. Zusätzlich leiden die Patienten häufig an Allgmeinsymptomen wie allgemeine Erschöpfung und Schlafstörung. Oft ist eine Depressivität mit vergesellschaftet. Die US-amerikanische Rheumagesellschaft (American College of Rheumatology – ACR) hat 1990 18 anatomische Punkte im Bereich des Nackens, der Halsvorderseite und oberen Brustkorbs, des Ellbogens, des Gesäßbereichs und des Knies definiert, die bei Druckschmerzhaftigkeit als sog. positive „tenderpoints“ klassifiziert werden. Ein FMS ist nach diesen ACR-Kriterien wahrscheinlich, wenn 11 von 18 möglichen als positiv gewertet werden und eine entzündlich-rheumatologische oder neurologische Erkrankung ausgeschlossen wurde.  Ist das FMS im Zusammenhang mit einer entzündliche-rheumatologischen Erkrankung aufgetreten, spricht man von einem sekundären FMS, ohne Zusammenhang mit einer organischen Erkrankung als primäres FMS.

Liegen ähnliche funktionelle Störungen ohne den Nachweis von Tendpoints vor, so liegt ein Schmerzsyndrom mit Schmerzen in mehreren Körperregionen (Chronic widespread pain, CWP) vor. Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft liegt die Häufigkeit des Fibromyalgie-syndroms (Prävalenz) bei ca. 3% der Bevölkerung. Frauen sind häufiger betroffen als Männer.

 

Therapieverfahren

Myofasziales Schmerzsyndrom

Ist die Diagnose gestellt und konnten andere Ursachen für das Auftreten der Triggerpunkte weitgehend ausgeschlossen werden, ist die Therapie durch die Verfahren Injektion, physiotherapeutische Dehnung oder Stoßwellentherapie häufig verblüffend schnell, manchmal sogar als „Sekundenphänomen“ effektiv.

 

Fibromyalgiesyndrom (FMS)

Folgende Therapieformen werden nach den aktuellen Leitlinien 2012 empfohlen:

Physiotherapie und physikalische Verfahren

  • Ausdauertraining von leichter bis mittlerer Intensität (2 bis 3 mal wöchentlich von ca. 30 min Dauer), z.B.
    • schnelles Spazierengehen
    • Nordic Walking,
    • Fahrradfahren bzw. Ergometertraining
    • Tanzen
    • Aquajogging
  • leichtes bis mittleres Krafttraining (2 mal 60 min/Woche)
  • Funktionstraining (2 mal > 30 min/Woche)
    • Gymnastik und Wassergymnastik
  • Thermalbäder (5 mal /Woche über 2-3 Wochen
  • Flexibilitätstraining (2-3 mal 60 min/Woche)
    • Muskeldehnung (Stretching)

Multimodale Therapie

Hierunter ist eine komplexe Therapieform zu verstehen, bei der über einen Zeitraum von mehreren Tagen bis Wochen aufeinander abstimmte Therapieverfahren zur Anwendung kommen. Bestandteile sind mindestens ein aktivierendes Verfahren wie Ausdauer-,  Kraft- oder Funktionstraining und ein psychotherapeutischen Verfahren wie Patientenschulung und/oder kognitive Verhaltenstherapie. Die Therapie kann ambulant, teilstationär oder stationär angeboten werden.

 

Psychotherapeutische Verfahren

Bei einigen Patienten, die z.B. zusätzlich an psychischen Störungen leiden oder aber einfach nur Probleme bei der Krankheitsverarbeitung haben, werden psychotherapeutische Verfahren empfohlen.

Hypnose oder geleitete Imagination

Biofeedback

Kognitive Verhaltenstherapie

Entspannungsverfahren (zusammen mit Trainingstherapie)

 

Medikamentöse Therapie

Der therapeutische Ansatz des Schmerzzentrum Inn-Salzach verfolgt das Ziel, möglichst wenige Medikamente einzusetzen. Sollte eine medikamentöse Therapie erfolgversprechend sein, achten wir darauf, Präparate zu verwenden, die geringe Nebenwirkungen aufweisen. Die Kombination von Medikamenten mit verschiedenen Wirkmechanismen kann die analgetische Wirkung verstärken und soll dabei gleichzeitig die Nebenwirkungsrate möglichst gering halten.

Für das Fibromyalgiesyndrom gibt es leider kein Medikament, das die Symptome komplett lindern könnte. Betont werden muss jedoch an dieser Stelle, dass eine medikamentöse Therapie nur als Baustein in einer komplexen Therapie bestehend aus körperlicher Aktivität und psychologischen Verfahren gesehen werden muss. Es gibt einige Substanzen, die in bestimmten Konstellationen eine begrenzte Wirksamkeit zeigen. Nur für einige klassische Analgetika der WHO-Stufe 1 und 2 gibt es Untersuchungen zur Wirksamkeit beim FMS. In den Leitlinien 2012 finden sich keine positiven Empfehlungen, lediglich eine neutrale Haltung („keine positive oder negative Empfehlung“) für folgende Substanzen: Paracetamol und Metamizol aus der WHO-Gruppe 1 und Tramadol aus der WHO-Gruppe 2, ebenso für Flupirtin, starke Opioide aus der WHO-Gruppe 3 (z.B. Morphin, Oxycodon) werden nicht empfohlen („stark negative Empfehlung“).

WHO-Stufenschema:

  • Stufe I: Schwächere Präparate
    • Nicht-Opioid (z.B. Metamizol, Paracetamol, Diclophenac)
  • Stufe II: Mittelstarke Präparate
    • Nicht-Opioid + niedrig potentes Opioid (z.B. Tramadol, Tilidin)
  • Stufe III: Starke Präparate
    • Nicht-Opioid + hoch potentes Opioid (z.B. Morphin, Hydromorphon)

 Medikamente, für die positive Wirkungen bei FMS nachgewiesen sind, kommen aus der Gruppe der Antidepressiva und Antikonvulsiva. Eine Empfehlungen wurde ausgesprochen für den Einsatz des Antidepressivums Amitriptylin. Die Substanzen Duloxetin und Serotoninwiederaufnahmehemmer wie Fluoxetin oder Paroxetin zeigten zwar in Studien eine Wirksamkeit, sind in Deutschland aber nicht für die Diagnose FMS zugelassen. Ähnlich ist es bei Pregabalin (Lyrica, ein Präparat aus der Gruppe der Antikonvulsiva (Medikamente gegen Krampfanfälle). Sie werden in der Leitlinie 2012 als sog. „Offene Empfehlung“ bei bestimmten Symptomkonstellationen eingestuft. Wir besprechen daher mit unseren Patienten die Vor- und Nachteile des Einsatzes dieser Medikamente, wenn wir denken, dass Aussicht auf Schmerzlinderung dadurch besteht.

 

 



Konservative, nicht-medikamentöse TherapieKonservative, nicht-medikamentöse Therapie

Bei chronischen Schmerzen gibt es einige nicht-medikamentöse Therapieformen, die sich, je nach Schmerzart, bewährt haben. Hierunter fallen die z.B. die Hauptbestandteile der sog. Multimodalen Therapie wie Physiotherapie und Gesprächstherapie.

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Individuelle medikamentöse TherapieIndividuelle medikamentöse Therapie

Für Patienten, die trotz Einsatz der oben genannten Therapieverfahren, keine ausreichende Schmerzlinderung erfahren, können hoch-technisierte Verfahren wie die Rückenmarsstimulation oder die intrathekale Pumpenapplikation eine Alternative darstellen.

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Weitere spezielle TherapieverfahrenWeitere spezielle Therapieverfahren

Für jede Schmerzart gibt es spezielle Therapieverfahren wie z.B. Injektionen an schmerzauslösende Strukturen oder Infusionstherapien, die als Einzeltherapie oder im Serienverfahren schmerzlindernd wirken.

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Alternative TherapieverfahrenAlternative Therapieverfahren

Einige Therapieverfahren, wie z.B. Akupunktur, sind nicht Bestandteil der Schulmedizin; ihre Wirksamkeit konnte jedoch vielfach in Studien nachgewiesen werden. Für andere Verfahren ist unter Umständen die Studienlage nicht beweisend; dennoch profitieren einige Patienten davon.

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